"1964 legte der Musikwissenschaftler Fritz Oeser (1911–1982) eine
neue Edition des Werks vor, die sich allen berechtigten Einwänden
gegen editorische Details zum Trotz allmählich durchsetzte, nicht
nur in deutsch gesungenen Aufführungen (mit Felsensteins Übersetzung),
sondern auch in der Originalsprache. In der Oeser-Edition
werden die problematischen Rezitative ergänzend angeboten, was
seinerzeit angeraten schien, um die Abkehr von der „üblichen“ Version,
die seit 1875 mit einigen schüchternen Revisionsversuchen an
deutschsprachigen Bühnen benutzt wurde, zu erleichtern. Oesers
Arbeit war für die Rezeption von Carmen eine Pioniertat, die allerdings
Opernhäuser, die das Werk neu einstudieren wollen, nicht der
Sorge enthebt, sich immer wieder eigene Gedanken zu machen, in
welcher Gestalt die Oper auf die Bühne kommen soll. Denn auch
Oesers Fassung bietet im Anhang zusätzliche Varianten an, ist aber
für den Bühnenalltag nach fast einem halben Jahrhundert immer
noch praktikabel." |