Bettina Hinterthür
Noten nach Plan
Die Musikverlage in der SBZ/DDR - Zensursystem, zentrale Planwirtschaft und deutsch-deutsche Beziehungen bis Anfang der 1960er Jahre (Betzräge zur Unternehmensgeschichte, Band 23).
2006 Franz Steiner Verlag GmbH Stuttgart. Seite 302-303
(ISBN 978-3-515-08837-4)

Auszug

II. Musikalienverlegung nach Plan 1950/51-1953

C. PRODUKTIONS- UND HANDELSBEDINGUNGEN

1. Die Trennung von Verlag und Druckerei und die Folgen im Musikverlag

1.1 Die Auflösung der Beziehungen zwischen Musikverlag und Musikaliendruckerei durch die Einpassung der Betriebe in das Wirtschaftssystem der DDR

Bereits 1948 wurde die erste der vier Musikaliendruckereien in Volkseigentum umgewandelt: die Fa. Oscar Brandstetter 1948, nachdem die Eigentümer im Dezember 1947 in den Westen geflüchtet waren.
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Die fortan unter VEB Graphische Werkstätten firmierende Druckerei unterstand der VVB (Z) Druck und Verlag des Industrieministeriums. Darüber, dass vielen Druckereien auch Verlage angeschlossen waren und umgekehrt, gelangte das Ministerium sowohl in den Besitz von Druckereien als auch von Verlagen, so im Musiksektor der Bruckner-Verlag und der Musikverlag Breitkopf & Härtel. Der Bruckner-Verlag bildete eine Abteilung innerhalb der Leipziger Musikaliendruckerei Oskar Brandstetter. Da der Verlag jedoch nicht lizensiert war und das Ministerium auch keine Produktion im Rahmen eines anderen Verlags erwirken konnte, veröffentlichte der Verlag seit 1949 unter Lizenz von C.F.Peters.
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Keinen Erfolg hatte der Versuch, über den Verlag Volk und Buch Leipzig der gleichfalls der VVB unterstand, Druckgenehmigungen beim Kulturellen Beirat zu erwirken. Der Bruckner-Verlag wurde 1934 als „Musikwissenschaftlicher Verlag" in Leipzig gegründet und hieß seit 1944 Bruckner-Verlag. Der Bruckner-Verlag veröffentlichte die Bruckner-Gesamtausgabe und stand in enger Verbindung zum musikwissenschaftlichen Institut der Universität Leipzig. Fritz Oeser, Schüler von Helmut Schultz, der als außerordentlicher Professor die Musikwissenschaft in Leipzig 1933-1945 leitete, hatte über Bruckner promoviert und war Mitarbeiter des Verlags. Auf dem Verlag lagen Rechte an „wertvollen Werken der großen Meister" Bruckner, Beethoven, Haydn, Tschaikowsky, Carl Maria von Weber - sowie an zeitgenössischen Kompositionen und musikwissenschaftlicher Literatur. Hier lagerte auch der musikalische Nachlass von Hugo Wolff. Der Verlag galt als exportwichtig, hatte er doch aus Vorkriegszeiten Verbindungen in die Schweiz, nach Belgien und Holland.
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Nachdem die Eigentümer in den Westen flüchteten, zählte der Bruckner-Verlag gleichfalls zu den zweigleisigen Verlagen und war von den damit verbundenen Problemen betroffen.
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Der Verlag firmiert seitdem unter Alkor-Edition GmbH Kassel (Theater- und Opernmusik).


827 Oskar Brandstetter. Graphischer Betrieb. Abt. Jakob Hegner Verlag, Lizenzantrag. BArch DR 1725.
828 Deutsche Graphische Werkstätten an Ministerium für Industrie. HA Leichtindustrie, Abt. Druck und Papierverarbeitung:. 8.8.1950. BArch DR 1/691. Vgl. auch Hillner an ALV. 5.1.1952. BArch DR l /384.
829 VW Bruckner-Verlag. Aktennotiz, 12.10.1051. BArch DR 1/743.
830 Eller, Leipziger Musikwissenschaft im NS-Staat. S. 274.
831 Bruckner-Verlag. Abt. Oscar Brandstetter. Lizenzantrag, 10.12.1948. BArch DK 1/725